Rückblick auf ein Jahrzehnt der Internet-Governance
Von Tara Tarakiyee
In STF
STF-Technologist Tara Tarakiyee nahm an der NETmundial+10-Konferenz in São Paulo, Brasilien, teil und gibt Einblicke in ein Jahrzehnt der Internet-Governance-Strukturen und die Zukunft der Organisation digitaler Infrastrukturen im öffentlichen Interesse.
Das NETmundial-Treffen 2014 war ein prägendes Ereignis, sowohl für mich als junge*r Technologist als auch für die Art und Weise, wie wir über die Steuerung und Organisation digitaler Räume sprechen und wer darüber sprechen darf. Es ist damals gelungen, eine beeindruckende Anzahl von Menschen aus der ganzen Welt und aus einer Vielzahl von Interessengruppen wie Regierungen, der Zivilgesellschaft, der technischen Community, der Wissenschaft und dem Privatsektor zusammenzubringen, und viele weitere haben sich online beteiligt.
Die NETmundial 2014 fand auch zu einem wichtigen Zeitpunkt statt. Es war kurz nach den Snowden-Enthüllungen. Der IANA-Übergang war gerade angekündigt worden. Es war auch kurz vor dem zehnjährigen Jubiläum des Weltgipfels zur Informationsgesellschaft und der Verpflichtung von Tunis, die das Internet-Governance-Forum (IGF) ins Leben rief und die Grundlage für die künftige Rolle der ICANN bildete.
Es war höchste Zeit, die Notwendigkeit transparenter, offener und rechenschaftspflichtiger Verwaltungsprozesse zu bekräftigen. Zu sehen, wie so viele Menschen zusammenkamen und gemeinsam eine Erklärung verfassten, die diese wichtigen Werte unter der Führung des globalen Südens bekräftigte, war für mich unglaublich inspirierend und prägte meine Arbeit zu dieser Zeit. Ein Jahrzehnt später hat sich bei einigen der damaligen Probleme etwas getan, aber viele davon bestehen noch immer. Auch neue Technologien stellen uns vor neue Herausforderungen. Deshalb denke ich, dass es wichtig war, dass Netmundial+10 stattfand und dass die verschiedenen Interessengruppen wieder zusammenkamen und ihr Engagement für ein offenes und gerechtes Internet erneut bekräftigten.
Die NETmundial+10-Erklärung ist lang und differenziert, betont aber dennoch einige wesentliche Grundsätze, wie das Bekenntnis zu einer Multi-Stakeholder-Governance und einer inklusiven und gleichberechtigten Beteiligung. Sie erkennt auch die Komplexität der Internet-Governance an, fördert eine bessere Koordinierung zwischen bestehenden Prozessen und bekräftigt die zentrale Rolle des IGF bei der Koordinierung und dem Informationsaustausch, um fragmentierte Bemühungen zu vermeiden. Sie erkennt auch die Notwendigkeit an, alle Stimmen einzubeziehen, insbesondere um die Herausforderungen durch neue Technologien wie das maschinelle Lernen anzugehen.
Um sicherzustellen, dass es sich bei diesen Erklärungen nicht nur um Worte handelt, werden in der Erklärung die São-Paulo-Multistakeholder-Guidelines vorgestellt, die konkrete Anhaltspunkte für die Beteiligung der verschiedenen Interessengruppen liefern sollen. Diese Leitlinien bieten einen Rahmen für den Aufbau von Vertrauen, die Gewährleistung einer sinnvollen Beteiligung und den Ausgleich von Machtungleichgewichten zwischen den Interessengruppen. Sie unterstreichen auch die Notwendigkeit von Flexibilität und Anpassungsfähigkeit in Governance-Prozessen, um auf die sich entwickelnden digitalen Herausforderungen zu reagieren.
Ich hoffe, dass in Zukunft die Rolle der Maintainer*innen kritischer digitaler Infrastrukturen stärker anerkannt wird. Ein Großteil der Infrastruktur, von der unsere digitale Welt abhängt, hängt von ihnen ab, und sie werden nicht immer für ihre Arbeit bezahlt. Es ist äußerst wichtig, dass wir ihre Arbeit, die unser digitales Ökosystem stabil hält, sichtbar machen und sicherstellen, dass ausreichende Unterstützungsstrukturen vorhanden sind. Es ist auch notwendig, dafür zu sorgen, dass diese kritische digitale Infrastruktur weltweit verfügbar ist und dass Menschen von überall, die zu ihrer Erhaltung beitragen wollen, die Möglichkeit dazu haben.
Der PEHR-Beirat von Quad9
Am 28. April 2024 gab Quad9 – ein kostenloser, offener und sicherer DNS-Resolver – bekannt, dass sie einen Beirat für Datenschutz, Gleichberechtigung und Menschenrechte (PEHR: Privacy, Equity and Human Rights) bilden. Die Verwendung eines DNS-Resolvers ist sehr oft der erste Schritt, wenn ein Gerät eine Verbindung zu einem anderen Gerät über das Internet herstellen möchte, und für Millionen von datenschutz- und sicherheitsbewussten Nutzer*innen ist Quad9 der DNS-Resolver ihrer Wahl.
Es gibt nur sehr wenige Beispiele für Internetinfrastrukturen in dieser Größenordnung, die im öffentlichen Interesse betrieben werden. Da Quad9 über Resolver auf der ganzen Welt verfügt und täglich Millionen von DNS-Anfragen bearbeitet, sind sie sehr oft mit Situationen konfrontiert, in denen sie Entscheidungen treffen müssen, die sich auf ihre Nutzer*innen oder die Rechte anderer Menschen auswirken können. Deshalb ist Quad9 ein geeigneter Ort, um einen Beirat für Menschenrechte, Datenschutz und Gleichberechtigung einzurichten, der dem Führungsteam dabei helfen kann, auf Grundlage einer Reihe von Expertisen bessere Entscheidungen zu treffen. Ich freue mich darauf, Quad9 bei dieser Aufgabe zu unterstützen und hoffe, dass wir ein Vorbild für eine gute Governance kritischer Internetinfrastrukturen sein können.
Das globale NETmundial+10-Treffen in São Paulo ist eine wichtige Bestätigung der Verpflichtung zu offenen und rechenschaftspflichtigen Internet-Governance-Prozessen. Ich bin nach wie vor sehr erfreut zu sehen, dass diese Kernverpflichtungen immer noch aktuell sind. Ich freue mich darauf, zu sehen, wie sie sich in der realen Welt widerspiegeln und an die neuen Herausforderungen und Möglichkeiten der neuen Technologien angepasst werden. Dies und die Teilnahme am Quad9 PEHR-Beirat zeigen, dass es eine aufregende Zeit ist, an dieser Arbeit teilzuhaben, und ich bin vorsichtig optimistisch, was die Zukunft für die Governance unserer digitalen Räume bereithält.